Julia spinnt - 01_Der Anfang

Spinnen mit der Hand ist ein verstaubtes Handwerk? Keineswegs! Naja vielleicht ein wenig in Vergessenheit geraten. Aber das sollte sich unbedingt ändern.

Kreatives Kulturerbe  
[ Die Handspinnerei ist ein uraltes Handwerk und tief in unserer Kultur verwurzelt. Um das Wissen über die traditionelle Garnherstellung lebendig zu halten bemüht sich die Handspinngilde (Handspinngilde e. V.) um Aufnahme des Handwerks auf die UNESCO-Liste zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes. ] Zitat: Blogbeitrag von Back to the Wheel

Spinnen ist wunderbar entspannend und kreativ zugleich. Es passt zum Trend der Entschleunigung und dem Bedürfnis, etwas mit den eigenen Händen selbst zu gestalten. Man braucht nicht viel Zeit und nicht viel Platz (gehen wir an dieser Stelle mal davon aus, dass wir die Schafe nicht miteinrechnen) und man kann quasi überall spinnen. Auch was man mit dem Garn macht bleibt jedem selbst überlassen. Verstricken, verhäkeln, verschenken. Eine Schnur für den Garten? Ein Wollknäul für die Katz ... Mein persönlicher Plan: Stroh zu Gold spinnen.

Was für mich nicht unwichtig ist, ist die Tatsache, dass ich mit diesem Hobby auch gezielt die lokalen Bauern unterstützen kann, die sonst teilweise die Wolle ihrer Schafe entsorgen müssen. Ich bilde mir ein, dass in Deutschland der Tierschutz doch etwas mehr im Focus ist als in Ländern wie Neuseeland oder China (Hauptproduzenten von Wolle heutzutage) und damit auch ein vergleichsweise guter Umgang bei Haltung und Schur gegeben ist. "Schwarze Schafe" gibt es natürlich überall aber wer nicht nachfragt/schaut wird auch nicht schlauer. Außerdem habe ich den kompletten Prozess im Blick und weiß dass keine giftigen Stoffe beim Waschen oder Färben eingesetzt werden.

Im Folgenden möchte ich euch nun einen Einblick in meinen (ersten) Spinnablauf geben und euch mitnehmen, auf meine spannende Reise in das Märchenfaserland.

Es war einmal .... 
Als ich ein kleines Mädchen war, hatten wir Bekannte bei denen ein Spinnrad in der Stube stand. Ich erinnere mich heute noch an das leichte Knarzen, den das Rad beim Antritt mit meinem Kinderfuß von sich gab und den leicht staubigen holzigen Geruch den das Spinnrad umgab. Ein paar Märchenfilme in der Weihnachtszeit und so hat mich wohl die Sehnsucht nach einem längst verlorengeglaubten Handwerk gepackt. Viele Jahre war der Wunsch eher ein sehnsuchtsvoller Blick auf jedes Spinnrad das irgendwo im Museum oder einem Mittelaltermarkt rumstand.
Passend dazu habe ich immer von einer kleinen Herde Schafe hinterm Haus geträumt. Etwa 5 Stück und mindestens ein schwarzes. Vielleicht ein paar Walliser Schwarznasen - so richtig hübsche Minirasenmäher.

Julia kommt zur Spindel
Bildquelle: http://wh1350.at/
Vor kurzem habe ich nach (historischen) Schnittmustern gesucht und habe mich bei meiner Suche auch durch verschiedenes historisches Handarbeitszubehör geklickt. Und da war sie, die Handspindel. Wie schön! Ich dachte mir mal wieder "ach das würde ich auch gerne können". Einfaches ehrliches Handwerk. Wieder was neues anfangen? Sowieso keine Zeit dafür ... Browser zugemacht und die Spinnerei legte sich zurück zu ihrem Dornröschenschlaf. Wie es der Zufall wollte, bekam ich 2 Tage später aber das Angebot mit einer Mittelaltergruppe zu lagern. Neben den typischen Fragen "Was ziehe ich an? Was nehm ich mit? Welche Rolle spiele ich?" habe ich mir auch die Frage gestellt, was ich wirklich zu einem glaubhaften Schaubild eines mittelalterlichen Lagers beitragen kann. Typisch männliche Arbeiten fallen leider aus, die Klassiker kochen und nett aussehen kann ich natürlich bedienen. Nach einigen eher abenteuerlichen Ideen kam ich relativ schnell auf die Spindel zurück. Bis dato bedeutete Spinnen für mich ja automatisch spinnen mit dem Spinnrad und das war für "einfach mal ausprobieren" zu teuer und somit unsinnig. Aber Handspindeln (Vorläufer des Spinnrades) bekommt man schon für kleines Geld und sind somit ein idealer Einstieg in ein wunderbares Hobby.


Spinnvorgang
Im folgenden zeige ich euch den Ablauf meiner ersten Spinnversuche
Dazu gehören
         - Spinnen
         - Abwickeln zum Knäuel
         - Verzwirnen
         - Haspeln
         - Entspannungsbad
         - Trocknen
         - Wickeln
         -  Sich freuen und mit dem Ergebnis angeben  
          Spinnen mit der Handspindel
          Nach dem ich mich in diversen Foren schlau gemacht habe, was es so über das Handspinnen zu wissen gibt, bin ich sehr schnell auf dem Youtubekanal von der wunderbaren Chantimanou gelandet. Die Videos sind verständlich Schritt für Schritt aufgebaut und beschäftigen sich ausführlich mit den einzelnen Arbeitsschritten und möglichen Fehlerquellen. Ach ich habe immer das Gefühl, mit der würde ich total gerne Kaffeetrinken :)

          Da Chanti auch eine eigene Website mit Blog und Onlineshop hat habe ich mich entschieden auch direkt bei ihr ein Starterset zu bestellen. Im Nachhinein kann ich sagen ich würde es wieder genau so machen und ein Starterset bestellen. Abgesehen von dem netten, persönlichen Kontakt bekommt man gute Ware für gutes Geld. Der Beutel ist praktisch, wenn man die Wolle  in Sicherheit vor putzigen Katzen bringen muss schnell wegräumen will. Die Spindel liegt für mein Empfinden gut in der Hand und hat keine rauhen Stellen oder Leimflecken. Die Wolle kommt kardiert (gebürstet für den Laien) im Knäuel und stammt von einem süddeutschen Merinozüchter. Im Vergleich zur typsichen Basetelmerinowolle die ich vom Filzen kenne ist sie etwas rauher/griffiger, was ich persönlich aber ganz angenehm empfinde. Und ich habe mich sofort gefragt was ist an der weicheren womöglich an chemischen Weichmachern begemischt ... Mag ich mir gar nicht so genau vorstellen. Zurück zu meiner Bestellung!

          Das Starterset besteht aus:
             - Anfänger-Spindel aus Buchenholz (ca. 75 gr)
             - 100 gr. Wolle im Kammzug (100% Wolle - süddeutsches Merino)
             - Projektbeutel aus Baumwolle (25×30 cm)

          Kontakt: chantimanou handSpinnerey Blog/Shop: http://chantimanou.de

          Hier die Handspindel mit 100gr Wolle im Kammzug

          ... riecht ein bisschen nach Schaf und sieht aus wie Maincoon ...

          Wie man mit der Handspindel spinnt erklärt euch die wunderbare Chantimanou am besten selbst in ihrem Video (die Videoqualität ist bei den ersten Tutorials nicht optimal, aber man muss sich ja steigern können nicht wahr):


          So sieht das bei mir aus:
          Hier beim Spinnern vorm Fernseher
          Eine gute Vorbereitung ist die halbe Miete Mieze
          Und hier die erste (halbwegs) volle Spindel

          Die entstandenen Singles (Einzelfäden) könnten theoretisch auch schon verstrickt werden, würden sich aber ständig aufdröseln oder könnten reißen, deshalb müssen wir sie noch verzwirnen, also mit einem zweiten Faden verdrehen. Hierzu wickeln wir den Faden zunächst zum Knäul.

          Abwickeln zum Knäuel
          Zum Abwickeln zum Knäuel kann man entweder eine Nostepinne/Wickeldorn (dicker Stab) benutzen, oder so wie ich eine kostengünstige Alternative:



          Man kann entweder ein typisches "Katzenknäul" wickeln oder man nutzt so wie ich eine bestimmte Technik, mit der man später den Faden aus dem Inneren des Knäuls ziehen kann. Dadurch spring das Knäul nicht durch die Gegend. Auch dafür gibt es ein schönes Videotutorial:



          Verzwirnen
          Verzwirnen nennt man das ineinander verdrehen der Fasern um mehr Stabilität, Ausgeglichenheit und und teilweise auch eine schönere Optik zu bekommen. Wenn man z.B. zwei verschiedene Farben miteinander mischt. Wie das geht erklärt euch Chanti:


          Mein Ergebnis kann sich eigentlich auch sehen lassen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten weil mir ständig das Knäul vom Schoß gefallen ist und Merlin unbedingt damit spielen wollte (typisch Katze) konnte ich doch meine Finger entknoten und habe ein ganz hübsches Garn zustande gebracht. Hier rächen sich allerdings die Stellen an denen ich zu zögerlich mit dem Drall war und der Faden zu dick geworden ist. Ist eben alles Übungssache :)
          Anm.: Beim Entspannungsbad legen sich die Fasern übrigens noch ein wenig und das Garn wirklich gleichmäßiger (siehe weiter unten).




          Haspeln
          So nennt man das Auf- bzw Abwickeln des Garnes, um daraus einen Strang zu bilden, damit der beim anschließenden Entspannungsbad oder beim Färben nicht auseinander fällt. ( Haspel bei Wikipedia )
          Auch dazu gäbe es ein Videotutorial aber das spare ich mir an dieser Stelle. Wer will kann es sich in einer ruhigen Minute mal anschauen: Garn mit einfachen Mitteln Haspeln
          Wie immer gibt es auch dafür mehr oder weniger teure aber praktische Hilfsmittel. Wer aber noch am Anfang steht, kann sich so wie ich auch mit einem Stuhl behelfen :)



          Entspannungsbad
          Damit man es auch verarbeiten also verstricken ( - ein Job für die Mama - ) kann braucht es zuerst aber noch ein Entspannungsbad. Relaxing muss sein! Warum und wieso erklärt Chanti hier in ihrem Videotutorial:


          Bei mir sieht das so aus:

          Ein Teller Fadennudeln bitte.

          Trocknen
          Nachdem die Fadennudeln abgekühlt sind müssen sie natürlich trocknen. Wie man auch in dem Video gehört hat bleibt immer noch relativ viel Flüssigkeit zurück wenn man den strang nur auswringt und es tropft lange vor sich hin. Irgendwo im Netz hatte den Hinweis gelesen, dass man hier eine Salatschleuder nutzen könnte. Funktioniert suuuuper! Die Salatschleuder von Tupper (danke Oma <3 ) kam hier ausnahmsweise auch mal zum Einsatz :) und der Strang war super schnell trocken.

          Im Schleudergang gehts dem Finale entgegen
          hübsch meine "schwangeren Regenwürmer"


          Wickeln
          Das Ganze wieder hübsch aufwickeln (siehe oben) und schon ist das Garn fertig zur Weiterverstrickung! Mama jetzt bist du dran ;)


          Ergebnis
          Hurraaaa mein erstes eigenes Garn! Das Internet und die alte Technik habens möglich gemacht.  12,80m selbstgesponnenes Garn (25,60m unverzwirnt)







          Wie es weitergeht ....
          Ich bin infiziert! Ich bin mir relativ sicher, das das genau das richtige für mich ist und unwahrscheinlich viele Möglichkeiten zur kreativen Entfaltung bei den einzenlen Arbeitsschritten bleiben weil es nicht nur um Wolle eindrehen und aufwickeln geht.  
          Ein Spinnrad muss her! Am besten eins, das schön knarzt und eine Geschichte zu erzählen hat.

          Ende Januar/Anfang Februar werde ich zwei Spinntreffen besuchen. Eines im Niederbayrischen Landwirtschaftsmuseum in Regen und eins in Erlangen. Bin schon sehr gespannt auf die anderen Spinner(innen) und hoffe mit vielen neuen Ideen zurückzukommen. Mehr davon beim nächsten Mal ...

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